Den umgekehrten Kulturschock als Drittkulturkind – „Third Culture Kid“ - erleben

Wenn ein Kind in einer Kultur aufwächst, nimmt es diese eine Kultur als „normale Realität“ wahr. Wie Ihr wisst: Im Ausland spricht man eine andere Sprache, man lebt in anders aussehenden Städten, feiert andere Arten von Feiertagen. Kinder sind sich jedoch nicht bewusst, dass viele Gewohnheiten, die sie als „normal“ betrachten - wie bspw. jeden Morgen einen Schulbus zu nehmen - nur typisch für ihre Kultur sind. Sobald sie erwachsen sind und ins Ausland gehen, können sie also einen Kulturschock erleben.

Nicht jeder geht gut damit um. Einige hassen es und können es kaum erwarten, nach Hause zurückzukehren. Andere verlieben sich in die Andersartigkeit von allem und sind so süchtig nach dem Gefühl, neue Dinge zu erleben, dass sie ständig reisen möchten um ihre Weltanschauung ständig zu hinterfragen

Dann gibt es noch eine andere Gruppe, die sich dafür entscheidet, im Ausland zu bleiben. Sie tun dies normalerweise aufgrund einer neuen Beziehung oder einer einzigartigen beruflichen Chance. Mit der Zeit gewöhnen sie sich an den neuen Ort und nehmen die Gewohnheiten der Menschen als „neue Normalität“ an. Und wenn sie nach Hause zurückkehren, stellen sie plötzlich fest, dass sie sich fremd fühlen. Sie betrachten die Gewohnheiten ihrer Eltern, Trends in der Gesellschaft und erleben eine andere Art von Schock: Den umgekehrten kulturellen Schock.

Ich habe in bis zu drei Ländern gelebt und mehrmals einen umgekehrten kulturellen Schock erlebt. Nun, das ist meine Geschichte:

Ich wurde in Polen geboren. Im Grundschulalter zog ich für ein Jahr nach Italien. Als ich nach Polen zurückkehrte, war ich mir sicher, dass alles so sein würde, wie es war, als wir Pole verließen. Aber ich habe mich geirrt. Zurück zu gehen fühlte sich an, als würde ich in eine andere Realität wechseln.

In Polen war das Schulsystem viel weiter fortgeschritten als in Italien. Vor dem Wegzug war die polnische Schule händelbar ... Nach der Rückkehr ist alles unglaublich schwer geworden. Ich musste die ganze Zeit lernen, um meine alten Klassenkameraden einzuholen.

Ein weiteres Problem waren Interessen und Hobbys. Italienische Mädchen in meinem Alter verbrachten ihre Zeit gerne damit, Animationen über magische Mädchen zu schauen und Fantasy-Bücher zu lesen. Ihre polnischen Kollegen unterhielten sich jedoch über Make-up und Verabredungen. Nach meiner Rückkehr aus Italien nach Polen wurde ich von meinen Kollegen als „kindisch“ eingestuft.


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Dann gab es einen Berg von anderen Dingen. In Italien haben wir zum Abendessen Brot gegessen. In Polen essen wir normalerweise Brot zum Frühstück und als Snack - niemals zum Abendessen. Oder ein anderes Beispiel:

Weil das Klima in Italien ziemlich warm ist, habe ich mich daran gewöhnt, überall in Jeans und T-Shirt zu laufen. In Polen sahen die Leute meine Kleiderwahl als komisch an (keine Jacke, ernsthaft?!). Und noch ein Beispiel: In Italien waren alle ziemlich locker. Es war wirklich einfach, neue Freunde zu finden. Alles, was man tun musste, war jemanden zu unterhalten. Ich habe es in Polen versucht und es ging nach hinten los. Viele Leute waren eher unhöflich und distanziert. Oder sie waren höflich, hielten mich aber für "etwas seltsam". Ich wurde schließlich stiller und stiller und zog mich zurück, um dem lokalen Stereotyp zu entsprechen.

Als ich als Erwachsener nach China zog, wurde der umgekehrte kulturelle Schock nach der Rückkehr nach Polen - und auch Italien - noch prägnanter.

Bevor ich Europa verließ, dachte ich immer, es sei normal, dass Menschen mindestens 2-3 Fremdsprachen sprechen. Aber nach Asien zu gehen hat mir gezeigt, dass es weniger üblich ist, zwei- oder dreisprachig zu sein. Die meisten Leute, die ich getroffen habe, sprachen nur ihre Muttersprache und verfügten über eher einfache Englischkenntnisse. Ich hätte nie gedacht, dass Polen eine Nation ist, die in Fremdsprachen führend ist - aber wir sind es!

Als Beispiel für den umgekehrten kulturellen Schock nach Italien in China zu leben, war es durchaus überraschend, dass in beiden Ländern die älteren Menschen gerne außerhalb ihrer Häuser sitzen und die Sonne genießen. Und sowohl italienische als auch chinesische Frauen lieben es, sich in selbst legeren Situationen sehr elegant zu kleiden - was in Polen nicht unbedingt der Fall ist- Hier ziehen Mädchen es vor, sich wie ihre Lieblingssubkulturen (z. B. Gothic) zu kleiden.

Letztendlich ist also wahr: Reisen lehrt uns viel über unser Heimatland!

Konzentrieren wir uns jetzt darauf, wie wir besser mit den Auswirkungen des umgekehrten Kulturschocks umgehen können - sowohl als Einzelperson, als auch als Eltern.

Mein bester Rat wäre, Expat-Freunde zu finden, die die gleiche Situation durchmachen wie Ihr. Wenn Ihr einfach andere Personen findet, die Euch verstehen, fühlt man sich emotional gehört und unterstützt.

Versucht bei Eurer Rückkehr ins Heimatland realistisch und nicht optimistisch oder negativ zu sein. Macht Euch bewusst, dass die Dinge nicht perfekt sind, aber tut Euer Bestes, um das Positive bewusst zu schätzen. Genießt Dinge, von denen Ihr wisst, dass sie für Euch funktionieren. Jedes Mal, wenn ich nach Polen zurückkehre, weiß ich, dass ich auf jemanden treffen kann, der unhöflich ist. Ich versuche es jedoch zu ignorieren und konzentriere mich auf das Gute: Ich treffe meine besten Freunde in unserem Lieblingscafé und genieße unsere Eiscreme.

Um Kinder vor den negativen Folgen eines umgekehrten Kulturschocks zu schützen, könn und solltet Ihr viele Dinge tun. Sprecht zunächst mit Euren Kindern. Sagt ihnen, dass die Dinge anders sein könnten als vorher. Lasst sie wissen: Es ist normal, wenn sich ihr altes Zuhause nicht mehr wie "Zuhause" anfühlt. Bereitet sie darauf vor, dass sie möglicherweise nach neuen Freunden suchen müssen und dass daran niemand schuld ist - das Leben spielt manchmal einfach so. Schlagt ihnen vor, sie für zusätzliche Aktivitäten anzumelden, die ihren Interessen entsprechen, damit sie so schnellstmöglich neue Freunde finden können.

Das Schlimmste, was Ihr Euren Kindern nach einer Rückkehr aus dem Ausland antun könnt, ist es mit dem Gefühl der Unzulänglichkeit allein zu lassen. Wenn Ihr ihnen nicht vorab sagt, dass sie einen umgekehrten Kulturschock erleben können, werden sie zu dem Schluss kommen, dass etwas mit ihnen nicht stimmt. Sie könnten schwermütig werden und sich einigeln. Der umgekehrte kulturelle Schock kann auch dazu führen, dass sie ihr Heimatland zutiefst ablehnen und unablässig nach Wegen suchen, wieder ins Ausland zu gehen um dort für immer zu bleiben. Für sie ist ihr Heimatland nicht mehr gleich "Heimat", und sie könnten alle Hebel in Bewegung setzen um einen Ort zu finden, an dem sie sich wirklich "zu Hause" fühlen.

Um dieses Szenario zu vermeiden, helft Euren Kindern aktiv bei der Bewältigung. Wenn Ihr feststellt, dass Ihr nach der Rückkehr weiterhin Probleme habt, solltet Ihr einen Fachmann konsultieren. Je früher Ihr handelt, desto besser.


Ich hoffe, dass diese Tipps für Euch nützlich sind. Seid Ihr oder jemand, den Ihr kennt, gerade dabei einen umgekehrten kulturellen Schock zu verarbeiten? Bitte teilt Eure Erfahrungen im Kommentarbereich unten!


Maria
GASTAUTOR

Maria

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